
Manch ein Mountainbiker freut sich wie ein kleines Kind auf die bevorstehende Singletrail-Abfahrt. Doch warum eigentlich? Eine Psychoanalyse zur Spezies der Mountainbiker.
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 2/2015 der Schweizer Bike-Zeitschrift RIDE. Oder Sie lesen hier gleich weiter:
Wirft man einen Blick in die Statistik und schaut sich in den Tourismusregionen um, dann ist folgendes sehr deutlich zu erkennen: Immer mehr Menschen fahren Mountainbike. Die Bike-Industrie nutzt diesen Trend und entwickelt immer ausgefeiltere Tools und Gadgets, um noch mehr Fahrgefühl, Leichtigkeit und Spaß für die Fahrer herauszuholen. Vormals als unerreichbar deklarierte Winkel können heute dank entsprechender Technologien von immer mehr Menschen erreicht werden und viele, die sich vor ein paar Jahren niemals getraut hätten, in einem hügeligen Terrain oder kniffligen Gelände Fahrrad zu fahren, sind heute sogar mit E-Bikes in ebendiesen Gegenden unterwegs. Der Mountainbike-Tourismus steht vor der Herausforderung einer zielgruppenspezifischen Produktentwicklung. Doch was will der Kunde eigentlich? Was macht einem Mountainbiker Spaß - und vor allem: warum?
Warum macht Mountainbiken so viel Spaß?
1. Unabhängigkeit und Freiheit
Ein Ausflug mit dem Mountainbike ermöglicht im Vergleich zum Wandern das schnellere Erreichen von entfernt gelegenen Regionen. Das Bike macht uns mobil und unabhängig. Ein nicht zu unterschätzender Spaßfaktor beim Mountainbiken ist das Erlebnis von Kontrolle und Freiheit bei der Abfahrt. Für die einen ist es schlichtweg der einzige Grund – weswegen sie sich vorrangig in Bikeparks mit Aufstiegshilfen aufhalten und nur bergab fahren. Für die anderen ist die Abfahrt die Belohnung nach den Aufstiegsstrapazen. Jegliche Mühe ist vergessen, die Abfahrt ist der Lohn des mühsamen Aufstiegs und frei wie ein Vogel und scheinbar ohne Anstrengung geht es nach dem Erreichen des Etappenziels wieder hinab. Sehr anregend ist für viele der Kontrast zwischen einem ruhigen und gleichmäßigen Treten bergauf und dem kontrollierten Zusammenspiel von Fahrer, Bike, Strecke und Wegbeschaffenheit bergab. Die Kombination all dieser Komponenten wird von vielen als ein tiefes Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit empfunden.
2. Fokus auf das Wesentliche
Unser Alltag hat uns mit all seinen Reizen fest in der Hand und immer kommt etwas Neues. Multi-Tasking ist heutzutage selbstverständlich und wir alle müssen mit der immer stärkeren Reizüberflutung umgehen lernen.
Beim Mountainbiken ist die Aufgabe klar: Es geht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und dieses kann ganz vielschichtig gestaltet sein: Der Weg an sich, ein Gipfelkreuz, die nächste Einkehr, diese Abfahrt oder jener Trail oder mit dem Nachwuchs das erste Mal im Bikepark-Übungsparcours ein paar Runden zu drehen.
Unser Körper und Geist dankt es uns – endlich einmal eine klaren Ansage! Damit können Muskeln und Gehirn prima umgehen. Wir fokussieren auf das Wesentliche und lassen uns nicht mehr ablenken. Schon kommt ein Glücksgefühl auf, wir denken an „gar nichts“ und sind „voll in unserem Element“. Sucht man in einschlägiger Literatur nach einem Begriff, der diesen Zustand beschreibt, wird schnell klar: Wir sind im Flow! Das ist es also!
3. Unterschiedliche Reize
Unabhängigkeit und klare Aufgabe ja, aber was gibt es sonst noch? Fassen wir uns selbst doch einmal an der Nase und fragen uns, was für eine besonders tolle Bike-Tour wichtig ist. Oftmals kommen Antworten wie „schöne Landschaft“, „tolle Trails“, „Einkehrmöglichkeiten“.
Leute, lasst Eure Sinne sprechen! Teils bewusst, teils unbewusst gleiten wir mit unserem Bike durch die Landschaft und nehmen die verschiedensten Reize wahr. Vieles wird bewusst, noch viel mehr jedoch wird unbewusst aufgenommen. Verschiedenste Farbspektren, unterschiedlichsten Gerüche, die Beschaffenheit des Weges.
Es werden all unsere Sinne angesprochen: Biken ist nicht nur das schmerzhafte Ziehen der Muskeln und das Endorphin beim Bergab fahren, sondern auch der erdige Geruch des Waldbodens, der Duft von frisch gemähtem Gras, das kristallklare Wasser, der leichte Wind am Wasserfall, die Temperaturunterschiede, wenn man aus dem kühlen Flusstal in eine warme Ebene einfährt, der Geschmack einer herzhafter Brotzeit, der Duft von Kaminwurzen und Bergkäse, das Geläut der Kuhglocken, und und und...
Mountainbiken ist etwas für die Seele. Das Drumherum muss stimmen. Dann vergessen Mountainbiker innerhalb kürzester Zeit den Alltagsstress und fühlen sich aufgeladen und voll frischer Energie. Nicht zuletzt deswegen nutzen Tourismusmarketing-Experten eine emotionale und stimmungsvolle Bildsprache.
4. Erholung in der Balance
Das Smartphone ist auch an Wochenenden oder im Urlaub unser ständiger Begleiter, wir sind so mobil wie nie zuvor und haben dennoch keine Zeit.
Nachfrage und Anspruch haben sich verändert: Erholung und Urlaub muss in kurzer Zeit stattfinden und jedes Mal noch herausragender sein. Vielen Gästen ist heutzutage eine tagesfüllende Biketour zu lang, denn sie möchten noch etwas anderes an demselben Tag erleben. Der Mensch sucht nach herausragenden Erlebnissen aber hat keine Zeit dafür. Wie soll sich da nur einer erholen? Eine Herausforderung für die touristische Produktentwicklung.
Genau hier kommt das Mountainbike ins Spiel:
Ein Trip mit dem Mountainbike bietet Erholung für Körper und Geist, und das schon nach kurzer Zeit. Und mühsam muss es heute auch nicht mehr sein, denn immer mehr Lifte und Gondeln transportieren Mountainbikes nach oben. Der Aktionsradius des Mountainbike-Gastes wird dadurch erweitert und diese neuen Angebote sind für Einsteiger geradezu ideal. Das Fahren auf speziell für Mountainbikes gebauten und präparierten Strecken schult das Gleichgewicht, lässt den Geist fokussieren und bringt uns dadurch in Balance. Und das ist doch genau der Zustand, wovon man mehr möchte. Wir halten also fest: Mountainbiker finden beim stetigen Spiel mit der Balance ihr körperliches und seelisches Gleichgewicht.
Zum Thema Balance möchte ich an dieser Stelle den Streckenbauer Diddie Schneider zitieren: „Schon als Kind hat man uns hin und hergeschaukelt um uns zu beruhigen. Fahrradfahren auf einer entsprechend angelegten Strecke ist doch nichts anderes – man schaukelt in sicherer Umgebung hin und her, spielt mit dem Gleichgewicht, kommt dadurch zuerst in körperliche und schlussendlich auch in seelische Balance und Ausgeglichenheit“. Diddie Schneider sagt weiter: „Gerade Strecken und Forstwege findet auf Dauer fast niemand lustig. Das genau ist die Kunst im Streckenbau: Eine genau auf die Nutzer abgestimmte Streckenführung mit Wellen, rollbaren Hindernissen, Kurven und Anliegern, die für jedermann fahrbar sind. Die Kurve und das Spiel mit der Schwerkraft sowie die Gleichgewichtsverlagerung machen es aus. Dann kommt sowohl der Einstiger als auch der Profi in den Flow.“
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Tanja Brunnhuber
Geschäftsführerin
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TOURISMUSMARKETING & CONSULTING